Zwei Monate in Algés, drei Tage in Lagos, zwei Wochen Almerimar. Die Orte, an denen ich lande, habe ich nicht gesucht. Das Schiff entscheidet. Es verlangt nach Werft, Schlosser, Rigger, Elektriker. REYKJA diktiert den Ablauf der Reise. Ich werde nur angespült.
Lissabon
Algés ist ein Stadtteil von Lissabon. Hier fährt keine romantische Strassenbahn Linie 28E, findet sich kein berühmter Aufzug mit einstündiger Warteschlange, muss man keine «Pasteis de Belem» kaufen und köstlich finden. Algés – das ist Lissabon jenseits der Youtube-Influencer-Klischees. Vier Wäschereien, acht Gemüseläden, zwanzig Cafés, eine Markthalle und ein Supermarkt. Wer einen Baumarkt braucht, nimmt den Vorortzug Richtung Cascais und läuft dann zwanzig Minuten über dreispurige Autostrassen.
Wer Mineralwasser mit Kohlensäure sucht, läuft ebenfalls. Dreimal schleppe ich achtzehn Kilo dieser köstlichen Rarität eine halbe Stunde weit vom Agglomerations-Lidl zum Schiff auf der Werft. In der Zugunterführung steht stoisch der Barkeeper mit Plexiglas Corona Maske. Egal ob morgens um acht oder abends um sieben. Manchmal hat er Kunden, manchmal steht er nur da.
Südportugal
Lagos hat die grösste Werft und die teuerste Marina weit und breit. Der Rest besteht (in dieser Reihenfolge) aus Immobilien-Agenturen, Geldautomaten, Bars, Kleiderläden und Restaurants. Man spricht Niederländisch, Englisch, Deutsch, will Marihuana verkaufen, im Suff laut schreien, oder Delfintouren promoten. Es ist so schrecklich, dass ich ein Motorrad miete und an die Westküste Portugals flüchte.
Dort erwartet mich das Reich der Schotterstrassen, Leuchttürme und Buchten mit langsam ausrollenden Atlantik-Wellen. Die Gegenwelt zur Südküste. Junger Surferinnen und Surfer tragen blonde Rastalocken und grüne Pluderhosen. Ich bin in einer Zeitmaschine gelandet, in der Hippies noch ganz ohne Glatzen und Falten lebten.
Südspanien
Almerimar ist eine Retortenstadt vom Reissbrett. In drei Hafenbecken liegen 1100 Yachten, angeblich. Die Stadt wurde drumherum hochgezogen. Ihre Ferienanlagen sehen aus wie maurische Trutzburgen, samt Türmen, Erker, Balkonen, hohen Zäunen, Gegesprechanlagen und Schlössern. Man redet spanisch, die 1100 Yachtbesitzer versauern coronabedingt in ihren ausländischen Heimathäfen.
Recht haben sie, denn die Coronamassnahmen in Spanien sind beängstigend. Maske tragen ist obligatorisch auf der Strasse, das Verlassen der Gemeinde untersagt. Eine Motorradtour wie in Portugal kann ich vergessen. Einzig die graubraunen Dünen des Naturreservats Punta Entinas gehören zur Gemeinde El Ejido. Und tausende von Gewächshäusern, in denen unterbezahlte Marokkaner die Tomaten Europas ernten. Es ist eng hier und klaustrophobisch.
Nachts träume ich von griechischen Inseln.