Fettnäpfe und Holzpfade

Wer reist, macht sich zum Narren. Man stolpert über fehlende Sprachkenntnis, die ungeschriebenen Regeln, narzisstischen Stolz der Einheimischen. Der Reisende steht in der Hackordnung weit unten – ausser sein Portemonnaie ist prall gefüllt. Wenn dann auch noch Behörden ins Spiel kommen, hilft nur Unterwerfung.

„Ochi!“ ruft die Frau von der Coast Guard. “Ochi! No! No! No!“ Soeben ist Reykja an der vollständig leeren Hafenmole von Chalkida, Euböa, gelandet. Ich hole Luft. «No!» ruft sie erneut und stellt sich breitbeinig auf. Ein fleischgewordener Vorwurf in greller Sonne: Blitzende Rayban-Sonnenbrille, gebügelte Uniform, funkelnde Kampfstiefel.

Mit «no» haben sich ihre Englischkenntnisse weitgehend erschöpft, was unser Gespräch nicht wirklich erleichtert. Langsam schält sich heraus: Nur vorne, bei der alten Brücke von Chalkida, darf ich landen. Allerdings liegen dort bereits zwei Boote. Das ist ihr egal. «Edo, ochi», ruft sie noch einmal, «hier nicht».

Vergeblicher Sonderweg

Euböa ist eine Halbinsel. An der engsten Stelle führt eine Brücke zum Festland. Die Brücke wird nur einmal am Tag geöffnet, irgendwann nachts, sonntags nie. Deshalb muss ich in Chalkida landen und eine Durchfahrtgenehmigung kaufen. Der Platz, den sie meint, ist durch die zwei Schiffe so gut wie belegt, ein kräftiger Strom läuft von vorne unter der Brücke durch, ablandiger Wind von der Seite.

«Ich kann hier nicht landen», rufe ich. Das stört die Coast Guard Polizistin keine Sekunde. «Edo! Hier!» Ich werfe ihr die Vorleine zu. Sie weiss nicht, wie belegen. Reykja dreht sich quer zur Mole. Auf dem Nachbarschiff erscheint ein verstörtet Eigner mit Kugelfender. Angler lassen ihre Angeln fallen und rotten sich am Kai zusammen. Geworfene Festmacherleinen, Geschrei, Wutanfälle, Kommandos. Kommandos von den Anglern, wohlgemerkt, und Wutanfälle auch. Am Ende liegt Reykja vertäut, um 180 Grad gedreht. Ich kann die Genehmigung kaufen, die Angler weiterangeln, die Coast Guard Polizistin unauffällig im Büro verschwinden. Alle sind zufrieden mit dem Aufreger des Tages. Ich solle vor Anker warten, mein Funkgerät anschalten, ab 21 Uhr zur Durchfahrt parat sein.

Britischer Sonderweg

Wer reist muss immer damit rechnen, dass er sich zum Narren macht. Umso mehr, wenn es um Behörden geht. Das betrifft mich, aber auch den Skipper der britischen Luxusyacht.

Um halb neun meldet er sich per Funk, geschliffenes Englisch, professionelle Funkersprache, unausgesprochene Überlegenheitssignale der Ex-Weltmacht zu Meer. «Mein Agent hat die Durchfahrt gebucht. ETA (erwartete Ankunftszeit) um zwei eins Uhr.» Die griechische Hafenbehörde bestätigt wortkarg, in schlechtem Englisch. Fünf vor neun, erneuter Funkspruch: Er werde in fünf Minuten da sein. Die Hafenbehörde bestätigt. Halb zehn: Wann er mit der Passage rechnen dürfe? Er solle sein Funkgerät abhören und werde aufgerufen. Es ist heiss und dunkel. Ich schlafe ein. Halb eins knarrt das Funkgerät, die Luxusyacht. Ob er höflich fragen dürfe, wann mit der Durchfahrt ungefähr zu rechnen sei? Die Hafenbehörde: Er solle sein Funkgerät abhören und werde aufgerufen. Ich schlafe ein.

Um drei schliesslich der Aufruf.

Wusste die Hafenbehörde nicht schon um neun, dass es später wird? Macht sie das nicht täglich? Lässt sich der Strom in der Durchfahrt nicht berechnen?

Jedenfalls muss jetzt alles rasend schnell gehen. Während ich meine Matratze aus dem Cockpit räume, den Motor starte und den Anker aufhole, wird die Luxusyacht bereits aufgerufen. Und da sie noch nicht parat ist, folgt sofort der Aufruf der nächsten Yacht.

Die Rache der wortkargen Hafenbehörde?

Schweizer Sonderweg

Dies ist nicht mein einziger Kontakt mit der griechischen Coast Guard. Als Schweizer Yacht, Nicht-EU-Mitglied, erhält Reykja in jedem Hafen einen Einreise- und später einen Abreise-Stempel in ein Transit Log gedrückt. Bei der Coast Guard. Deren Polizisten sind so unterschiedlich wie das Wetter. Die einen schicken mich fort, weil sie gerade keine Zeit haben. Andere fertigen mich unter der Tür ab. Die dritten brauchen eine halbe Stunde, weil sie alle Dokumente fotokopieren. Sehr Aufmerksame merken, dass der Zoll eine Rubrik falsch eingetragen hat. Andere bieten mir einen Stuhl an. Und einmal warnt mich ein Beamter zu segeln, weil gerade Windstärke sechs herrscht.

Ich übe mich in Professionalität: Verbindlich sein, nie die Initiative ergreifen, nichts kommentieren, keine Freundschaften schliessen wollen. Das gelingt mal besser und mal schlechter. Einmal platzt mir der Kragen, weil mich die Coast Guard zum Zoll, und der Zoll zur Coast Guard schickt. Siehe da: Die Coast Guard Polizistin ist professioneller als ich, bleibt ruhig und erklärt mir das Problem. Voilà.  

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