Kleine Überraschungen

Als ich nach drei Wochen in der Schweiz wieder zu Reykja zurückfliege, hat sich das Leben geändert. Nicht unbedingt zum Guten – aber es hätte schlimmer kommen können.

Zunächst verlangt Taxifahrer am Flughafen Athen 20 Euro mehr, als sein Kollege vor drei Wochen. «Registered price» sagt er mit fester Stimme. Ich glaube ihm nicht und mache Anstalten auszusteigen. Wir einigen uns erstaunlich rasch dort, wo keiner sein Gesicht verliert.

Das Original als Kopie

Auf der Schnellstrasse nach Lavrio tauchen erste Brandwolken auf. Der Taxifahrer balanciert das Handy auf dem Knie und lässt Frau und das schwankende Auto am Entsetzen teilhaben. Dann bricht er das stolze Schweigen zweier beleidigter Männer und wir leiden gemeinsam unter Hitze, Trockenheit und den unzureichenden Hilfsmassnahmen der Regierung.

Was folgt ist der Tagesschau-Film von gestern Abend. Nur: Das Original ist eine Kopie. Alles schon gesehen im globalen Medienzeitalter: Wie Löschhelikopter mit grossen Säcken zum Meer fliegen, sie auf rätselhafte Weise dort füllen, und zurück im Wolkeninferno Tropfen auf heisse Bäume verteilen. Je näher Lavrio rückt, je grösser werden die Wolken. Ich überlege, ob ich mich bedroht fühlen sollte?

Oldtimer gegen das Umfallen

Weitere Überlegungen werden nebensächlich. Denn der Taxifahrer, inzwischen im Vollservice-Modus, durchquert Pförtnerloge und Schranke zum Hafengebiet, um mich direkt vor dem Schiff abzusetzen. Ich musste Reykja auf Land kranen lassen, weil Charterflotten jeden Platz für Segelschiffe in Lavrio belegen. Zuerst sehe ich nur einen Oldtimertraktor samt Ladeanhänger, von beiden führen Gurte zum Deck – und oh Schreck: Reykja hängt mit schrägem Mast in Rumpfhalterungen, die sich von zwei bei meiner Abfahrt auf neu fünf vermehrt haben.

Ungläubig schaue ich mein Schiff an und checke, ob es wohlmöglich vollständig umgefallen ist. Aber nichts scheint verbeult, der Mast ist noch dran. Ich überlege, ob sich sie überhaupt betreten kann, oder ob sie dann umkippt – sie hält, aber mir wird innen fast schlecht. Und schliesslich, ob es leichtsinnig von mir war zu glauben, die Hafenarbeiter wüssten was sie tun? Ihren Kran hatte ich in Erinnerung als Kandidaten für ein Oldtimermuseum. Aber ich beruhigte mich mit dem Klischee vom griechischen Improviationstalent. Aber dass hier regelmässig Sturmwind weht, Meltemi mit Böen bis 9 Beaufort, das dürfte ihnen ja nicht neu sein.

Statt sich zu entschuldigen, verlangt der Kranchef beim Auskranen 50 Euro zusätzlich. Seine Begründung: Mein Schiff sei nicht normal. Zu schwer, mit zwei Masten, zu kompliziert. «Kein normales Schiff». Derartig geschmeichelt, denn wer will schon ein normales Schiff haben, gebe ihm das Gewünschte und bedanke mich für seinen Nachteinsatz im Sturm, samt Traktor und Anhänger.

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