Der halbe Atlantik

Nonstop segeln von Griechenland nach Gibraltar. Für die 2500 Kilometer brauche ich 15 Tage und einen gut gefüllten Diesel-Tank. Es ist die Hälfte einer Atlantik Überquerung. Und funktioniert. Gute Segelmomente, umsichtige Berufsschiffer und eine geglückte Flucht aus dem fast kochenden Mittelmeer.

Reykja verlässt die schützende Bucht von Pylos, Peleponnes. Der gestrige Sturm hat Dünung aufgebaut, nicht wirklich hoch, aber steil und unerbittlich. Die Yacht vor mir, mindestens zwanzig Meter lang und wunderschön, dreht nach zehn Minuten um. Will der Eigner keine grüne Nase, wenn er schon Millionen für sein Hobby ausgibt? Ich schlucke eine Tablette Arlevert und stelle mich dem mulmigen Gefühl. Die ersten zwei Tage sind hart, wie immer. Dann wird es gut.

Wasserscheide

Es ist leichter ins Mittelmeer hinein zu segeln, als heraus. Im Winter wehte monatelang nur Westwind. Jetzt sieht es anders aus. Nordwind aus der Adria, Wind und Wellen treffen im 60 Grad Winkel aufs Schiff. Das geht knapp gut, Reykja läuft, die Wellen bremsen nicht wirklich. Bis genau vor die Küste Siziliens reicht der Wind. Dann schläft er ein..

Landnähe bedeutet Internetverbindung, bedeutet Wetterbericht. In drei Tagen prognostiziert ECMWF, das europäische Wettermodell, eine Ostströmung vor der algerischen Küste. Sie soll mehrere Tage halten. Das wäre ein billiger Weg aus dem Mittelmeer, das inzwischen auf sagenhafte 28+ Grad hochgeheizt ist, alles andere als ein cooler Aufenthaltsort.

Ich würge mit viel Motor und wenig Wind durch die Strasse von Sizilien. Das Mittelmeer teilt sich. Während im Osten und Westen die Wassertiefe auf 3000 Meter abfällt, beträgt sie hier gerade mal wenige hundert Meter. Erste Gruppen von Delfinen tauchen auf, in Griechenland waren sie so gut wie ausgestorben.

Kein Mensch segelt die tausend Kilometerküste vor Algerien. Der Kurs ist verrufen, weil er angeblich gegen die Strömung verläuft. Ausserdem habe ich kein Visum für Algerien, müsste also im Notfall mit Behörden verhandeln. Es gibt sowieso kaum Häfen, in denen man Notfälle lösen könnte.

So tummle ich mich, mit wunderbarem Rückenwind, als einziges Segelboot, in der Route der Frachtschiffe. Immer knapp ausserhalb der Zwölfmeilengrenze zu Algerien. Die Berufsschiffer umfahren mich grosszügig, ändern ihren Kurs so rechtzeitig, dass ich nachts kein einziges Mal wegen einer möglichen Kollision vom AIS alarmiert werde. Ich fühle mich gut aufgehoben in ihrer professionellen Welt.

Windscheide

Vier Tage später hat sich der Wind erschöpft. Ich bin auf der Höhe von Almeria. Drei Tage Flaute, sagt der Wetterbericht vorher, und dann Westwind voll auf die Nase. Ich muss mich entscheiden. Noch einige Wochen im Mittelmeer dümpeln, oder brachial mit Motor nach Gibraltar dröhnen? Die Spritpreise sprechen für die erste Lösung, die bleierne, staubige Hitze dagegen. Ich werfe den Motor an. Wenigstens ist der Diesel in Gibraltar zollfrei.

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