Ankommen

Es heisst, der Weg ist das Ziel. Aber was geschieht nach zwei Ozeanen und mehr als der halben Welt – wenn man am Ziel seiner Träume ankommt?

Patrice und Bill treffe ich vor zwanzig Jahren auf dem Larapinta Trail, in der heissen Mitte Australiens. Es ist der letzte Tag ihrer Wanderung, mein erster. Unser Small Talk endet schnell. Sie verstehen viel vom Wandern und wissen alles über Tasmanien, wo sie wohnen. Bill, offiziell Lehrer für Outdoor Education in Launceston, ist im Herzen ein Kletterer, Patrice stark und abenteuerlustig.

Patrice und Bill: Wet Cave in der Nähe von Mole Creek

Ein Jahr später ziehen wir los. Zehn Tage im Dauerregen in den Western Arthurs, ein steiles Mittelgebirge im ungeschützten Südwesten Tasmaniens. Wandern in den Roaring Forties ist hart, sehr hart. Stürmischer Wind, tiefe Temperaturen, Schlamm, sogar Schnee. Wer zehn Tage gemeinsam überlebt und immer noch miteinander spricht, bleibt Freunde fürs Leben. Bill und Patrice kommen zum Wandern und Klettern nach Graubünden, ich zum Bushwalken und Kayakfahren nach Tasmanien.

Ich bin nicht der erste Segler, der in Tasmanien landet. Joshua Slocum, legendärer erster Solo-Weltumsegler, wäre fast im Nachbarort Devonport hängen geblieben. „If there was a moment in my voyage when I could have given it up, it was there and then” (Joshua Slocum: Sailing alone around the world, Seite 187). Bill allerdings glaubt, es sei nicht um Tasmanien gegangen, sondern um eine geheimnisvolle Frau.

Launceston, seit vier Jahren das Ziel meiner Segelreise. Und doch: Ein heimlicher Teil von mir hat nie geglaubt, das ich es schaffe. Zu vermessen der Plan, zu vieles kann schiefgehen, Wetter, Kosten, Ehe… Gefahren überall.

Reinhards Yoga: Ocean Beach nahe Macquarie Heads

Die ersten Wochen in Launceston sind schieres Glück. Ich schwelge in Erinnerungen, Verwöhnungen  durch Patrice und Bill und dem Stolz, es geschafft zu haben. Dann besucht mich Marinette, meine Frau. Zum meinem Glück gesellt sich das Glück, dass auch sie es mag: Die fremde Vegetation, Vögel, Beuteltiere, unendliche Landschaften, Strände, Wälder.

Inzwischen liegt Reykja seit fünf Monaten in der schlammigen Seaport Marina. Ich bin Mitglied im Yoga Loft, kenne den Baumarkt Bunnings wie meine Westentasche, brate Bacon (gelegentlich) und versuche mich an Floskeln wie «Cheers» und «How are you mate».

Der Weg war ein Ziel. Ankommen auch. Ich bin am richtigen Ort.

Patrice und Marinette: Crater Lake mit Cradle Mountain im Hintergrund

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