Morgen will ich die Leinen in Tazacorte loswerfen. Dominica ruft: 5000 Kilometer, vier Wochen auf See. Ich freue mich – und freue mich nicht. Denn ich kann nicht einschätzen, was auf mich zukommt. Mit Ungewissheit leben ist ein zwiespältiger Zustand.
Vier Monate lag REYKJA im Hafen von Tazacorte. Meine Wartungsliste war achtundzwanzig Punkte lang. Nur einmal musste ich einen Handwerker engagieren (um ein Seeventil auszutauschen fehlte mir Werkzeug und vermutlich auch die Kraft).
Investition in die Sicherheit
Ich habe noch einmal massiv in die Sicherheit des Schiffs investiert: Ein hochauflösendes Radar, auf dem man einen Alarmbereich einrichten kann. Funkgerät mit eingebautem GPS. Zweites Echolot als Backup. Ich habe Befestigungspunkte für die Notpinne geschraubt, zwei Bilgepumpen ersetzt, das Satellitentelefon mit Aussenantene versorgt, den Wetterbericht zum Laufen gebracht, und, und, und.
Die Atlantikpassage von den Kanaren in die Karibik halten viele für eine Anfängertour – eine Art Mount Everest mit Bergführer, Sherpas und Sauerstoff. Im Idealfall weht Passatwind von hinten, bläst und drückt einen freundlich und stetig in die Karibik.
In Wirklichkeit zeigt die Wetterkarte seit einigen Wochen ein völlig anderes Bild. Tiefdruckgebiete ziehen über die Azoren, der Passat ist teilweise zusammengebrochen. Da sind grosse Flautenzonen auf der Route, oder Starkwind mit sieben Beaufort von vorne und Wellen von der Seite.
Ungewissheit bemerken
So könnte meine Reise eben auch aussehen. Und in der Ungewissheit stecken Fragen: Kann ich angemessen reagieren? Habe ich genug Know-how für alles Situationen? Ist das Schiff stabil?
Diese Fragen kann erst die Reise beantworten. Ungewissheit mag Menschen (Männer) beflügeln. Sie kann aber auch Angst machen und den grossen Aufbruch verhindern.
Es braucht den Moment, in dem man die Augen schliesst, der Ungewissheit ein Plätzchen zuhinterst hinten im Gehirn zuweist, und sagt: Leinen los.